Die Bürokratie hat uns im Griff

Fünfzehn Jahre ist es her, seit die ersten iPhones in den Läden lagen. Sie waren nicht perfekt, aber für die damalige Zeit das Beste, was ging. Man konnte nicht kopieren und einfügen und es gab noch keine vernünftigen Apps. Seitdem ist viel passiert und die Modelle wurden stetig weiter entwickelt. Inzwischen ist die iPhone 14-Familie auf den Markt gebracht worden. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Wie sind wir jetzt gleich ins Plaudern gekommen? Ach ja: die Bürokratie! Wäre das iPhone in deutschen Verwaltungen ersonnen worden, so darf vermutet werden, wäre man heute nicht bei einem Modell 14, sondern die erste Version wäre vermutlich noch nicht auf dem Markt, weil zu viele Details darin nicht so ausgestaltet waren, dass sie über jeden noch so abwegigen Zweifel erhaben sind. So ist das mit der deutschen Bürokratie. Sie will es allen rechtssicher Recht machen und dabei macht sie es keinem mehr so wirklich recht.

Die Bürokratie nährt sich mittlerweile recht gut an sich selbst. Immer neue Vorschriften gilt es zu beachten, immer neue Gesetze verkomplizieren das Alltagsgeschäft. So dauert es heute in der Region sieben Jahre, bis eine Windkraftanlage alle nötigen Genehmigungen hat und also gebaut werden kann. In Möhringen wartete ein Mann mehr als 15 Monate, bis seine Solar-Anlage endlich ans Netz gehen konnte. Den Stadtwerken war das laut einem Zeitungsbericht gänzlich unangenehm. Das sei schon sehr lange mit den 15 Monaten, sagte die Sprecherin der Stadtwerke Stuttgart. Und fügte mit bürokratischer Arroganz hinzu, dass die Wartezeit zwischen Beauftragung und Inbetriebnahme in der Regel „nur“ ein Jahr dauere. Man muss sich das einmal vorstellen: da leistet sich jemand im Sinne der Umwelt eine solche Anlage, die vielleicht 25.000 Euro kostet und dann wartet er zwei Sommer lang, bis die Solarzellen tun dürfen, was sie tun sollen, nämlich Sonnenenergie in nutzbaren Strom zu verwandeln. Das ist Deutschland im Jahr 2023. Ein beklemmender Befund!

Keine Frage: Die öffentliche Verwaltung und ihre 4,6 Millionen Beschäftigten stehen vor großen Herausforderungen. Seit Jahren sind die Auswirkungen des demografischen Wandels ebenso spürbar wie die der Digitalisierung, die Gesellschaft und Arbeitswelt tiefgreifend verändert. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigt, und es wird zunehmend schwierig, qualifiziertes und belastbares Personal zu finden. Die öffentliche Verwaltung wird zudem durch den Ruhestand geburtenstarker Jahrgänge, der sogenannten Babyboomer, gezwungen sein, so manche Strukturen zu hinterfragen. Nicht nur aus diesen Gründen, sondern auch wegen des zunehmend größer werdenden Sparzwangs, werden Städte und Kommunen und ihre Eigenbetriebe mit der Herausforderung konfrontiert sein, mit weniger Personal die ihnen auferlegten Aufgaben zu bewältigen. Die bisherige Form der Bürokratie kann man sich schlicht nicht mehr leisten.

Nachteilig wirkt sich bei der überfälligen Transformation eine historisch gewachsene Prägung aus, die zur Folge hat, in den Abläufen und Entscheidungen absolute Rechtssicherheit anzustreben und möglichst Null-Fehler zu machen. Auf der Basis der bisher noch dominanten „Verwaltungs-Denke“ fallen in vielen Kommunen notwendige Entscheidungen nicht selten eher langsam. Einige Städte wie Genua in Italien haben deshalb einen Paradigmenwechsel angestoßen. So wurde in Genua die eingestürzte Stadtbrücke, ein monumentales Bauwerk, in nur einem Jahr komplett wieder aufgebaut. Grundlage dafür waren Management-Ansätze auch und gerade in der Verwaltung. Inzwischen pilgern viele Kommunalvertreter in die italienische Stadt, die bisher nicht gerade für effiziente Strukturen bekannt war, um von den dortigen Erfahrungen zu lernen.

Es ist ein Gebot der Stunde, den Boden für eine neue Kultur in der Verwaltungsarbeit zu schaffen, in deren Mittelpunkt kurze Wege und schnellere Entscheidungen im Sinne der Menschen und auch im Sinne des übergeordneten Interesses möglich werden. Schon jetzt ist festzustellen, dass politische Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene sowie aus Brüssel kommend in einer Geschwindigkeit über die Kommunen hereinbrechen, die es fast unmöglich macht, mit den bisherigen Strukturen bewältigt zu werden und dabei noch die Bürgerschaft zu sensibilisieren und mitzunehmen. Und da gibt es nur eine Lösung: weniger Regeln und Gesetze! Als Ursula von der Leyen in Brüssel begann, kündigte sie an, dass für jedes neue Gesetz ein altes wegfallen solle. Tatsächlich liegt der Schlüssel aktuell bei fünf zu eins. Während fünf neue Verordnungen erlassen werden, wird eine gestrichen. Das ist der falsche Weg. Was in Brüssel nicht gelingt, wird auch in Stuttgart oder Ludwigsburg nicht gelingen.

Höchste Zeit fürs Umdenken. Es muss möglich sein, weniger von möglichen Fehlern her zu argumentieren als vielmehr die Chancen alternativer Wege zu betonen. Mehr als 60 Prozent der Menschen in Deutschland halten den Staat laut Umfragen bei der Erfüllung seiner Aufgaben für überfordert. Es gibt besorgniserregende Anzeichen für einen generellen Vertrauensverlust in die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Heute wollen die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Verwaltung einfach, schnell und sicher kommunizieren. Die Leute wollen wissen, woran sie sind – und nicht, woran sie vielleicht sein könnten. Weg mit dem Bürokratiemonstern. Sie sind lästig.

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