Alles bloß Real-Satire

Jetzt mal ehrlich: ist diese ganze Debatte über Klimawandel, Ökodesaster und globale Erwärmung nicht reichlich aufgeheizt? Kein Tag vergeht, ohne neue Tartarenmeldungen über schmelzende Gletscher in den Alpen, Steppenbildungen im Amazonas und hitzebedingt zeugungsunwillige Krokodile in Australien. Dass sich die junge Generation Sorgen macht um die Zukunft erscheint maßlos übertrieben. Der Mensch soll seit langem auf zu großem Fuße leben und die Welt ökologisch in den roten Bereich getrieben haben – so ein Quatsch. Stimmt alles nicht! Könnte man doch einfach mal behaupten, oder? Wie sind wir jetzt gleich ins Plaudern gekommen? Ach ja: Journalismus nach Art von Jan Böhmermann. Der behauptet auch mal gerne was. Die Folgen sind dann, wie sie sind. Und das Zweite Deutsche Fernsehen, übrigens ein Sender, der von öffentlichen Geldern finanziert wird, schaut amüsiert zu.

Um ehrlich zu sein, und das ist meine ganz persönliche Meinung, die ich jederzeit kalt lächelnd, mich selbst berufend auf die künstlerische Freiheit der Satire, vor der Kamera vertreten würde: Jan Böhmermann ist kein seriöser investigativer Journalist, obwohl er früher mal für Lokalzeitungen gearbeitet hat und Reporter bei Radio Bremen war, er ist ein Möchtegern-Journalist von öffentlich-rechtlichen Gnaden. Ich finde es lustig, so etwas zu behaupten. Ist ja Satire, gell. Bloß ein bisschen Schmäh, wie sie der türkische Präsident Erdogan vor einigen Jahren über sich ergehen lassen musste, was politisch Wellen schlug. Dabei war es doch nur Satire im öffentlich-rechtlichen TV. Klar, der Moderator sieht aus wie ein Nachrichtensprecher und das „ZDF Magazin Royale“ hat auch schon mal den Grimme-Preis bekommen, weil es zugleich journalistisch und unterhaltsam, investigativ und satirisch sei. „Ein einzigartiges Gesamtkunstwerk“, urteilte die Jury. Das war leider keine Satire, sondern ernst gemeint.

Tatsächlich hat Herr Böhmermann mit seinem Team in der Vergangenheit so manchen Missstand zu Recht angeprangert und Kumpaneien transparent gemacht. Das soll nicht verschwiegen werden. Applaus hat manchmal eine seltsame Wirkung. So manchem, der in ihm badet, geht in solchen Fällen die Bodenhaftung verloren. So häufen sich neuerdings die Klagen über Herrn Böhmermann. Der ist Kritik gewohnt. Er ist schließlich längst selbst eine Person von öffentlichem Interesse. Das „Medium Magazin“, eine Postille, die den Journalismus hochhält, macht sich gleichwohl erntshaft Sorgen über den Mann, der sich gerne ins Gewand des Journalisten hüllt, selbst aber in Sachen gründlicher Recherche und Quellenschutz so manchen Kritiker auf den Plan ruft. So schrieb das Medium-Magazin neulich ungewohnt deutlich: „Wir haben uns gefragt, wie sehr sich Böhmermann und sein Team der eigenen Verantwortung bewusst sind – und wie man damit umgeht. Denn dass er auch heute noch regelmäßig die Satire-Karte spielt, wenn er an diese Verantwortung erinnert wird, kann man getrost als ebenso erwartbares wie redundantes Rollenspiel werten.“ Inzwischen bemüht der Satiriker bei Kritik gerne mal einen Medienanwalt. Das hat die Jury des Grimme-Preises versehentlich nicht erwähnt in der Laudatio.

Vielleicht ist Herr Böhmermann ja auch deshalb, sagen wir, journalistischen Prinzipien mitunter nicht ganz so zugewandt, weil er Kontakte nach Russland hat, wo so etwas an der Tagesordnung ist. Ich will das nicht behaupten, nur mal so in den Raum stellen. Das ist keine Tatsachenbehauptung, wie sie im Kontext presserechtlicher Streitereien häufiger angeprangert werden. Es ist allenfalls eine satirisch angehauchte Mutmaßung. „Audacter calumniare, semper aliquid haeret“, sagt der Lateiner. „Verleumde nur dreist, es bleibt immer etwas hängen.“ Das wäre natürlich schade für Herrn Böhmermann. Arne Schönbohm kann davon ein Lied singen. Ihm wurden von Böhmermann besagte Kontakte nach Russland vor laufenden Kameras attestiert, weshalb er in der Folge seinen Posten als Chef des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik verlor. Diese falsche Behauptung hat sich politisch zu einem Skandal ausgeweitet. Was soll’s: die berufliche Karriere eines Mannes, der sich keiner Schuld bewusst ist, via ZDF zerstört. Preisgekrönter Journalismus à la Böhmermann. Alles bloß Real-Satire.

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