Sternchen allüberall

Liebe Lesende,

es gab Zeiten, da war die Welt der Kommunikation noch recht übersichtlich. Man gab dem Postler einen Brief und er nahm ihn mit – oder wie Elvis sprach: „I gave a letter to the postman/he put it in his sack.“ Leider kam auch damals schon manches nicht dort an, wo es hinsollte, und am nächsten Tag hatte der King of Rock’n Roll ein Problem: „Bright early next morning/he brought my letter back.“ 

Return to sender – das würde man sich auch heute manchmal wünschen. Einfach die Botschaft zurückschicken, auf dass der Sender seine Zeilen vielleicht noch einmal überdenkt. Der Söder Markus in Bayern stünde vermutlich besser da, und auch der Palmer Boris in Tübingen, wenn er die eine oder andere Nachricht hätte wieder zurückbekommen und neu formulieren können. Ach Gott, wäre das eine schöne Vorstellung. 

Doch Obacht! Die Kommunikation der Moderne ist voller Tücken. Schon der soeben bemühte Gott ist heute nicht mehr einfach nur Gott, er muss womöglich gegendert werden. „Hat der sie noch alle?“, werden Sie oder Er jetzt vielleicht fragen. „Wer beschäftigt sich denn mit sowas?“ Die Antwort lautet: Die Evangelische Kirche in Deutschland, der ich angehöre. Die neue Ratsvorsitzende befand neulich mutig in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Gott könne nicht auf ein Geschlecht festgelegt werden. Martin Luther habe zwar das hebräische Wort JHWH mit den Großbuchstaben HERR übersetzt, aber damit bei Gott keinen Mann gemeint. Es handle sich vielmehr um „eine genderübergreifende Machtansage“.

Angesichts derart himmlischer Ergüsse möchte man dem guten alten Elvis am Liebsten einen neuen Refrain in den Mund legen: „Return the gender!“ Was nicht heißen soll, dass die Nüsse vom Lidl, die jetzt unter „STUDENT*INNEN Futter“ firmieren, geschmacklich schlecht wären. Dass es solcherlei Nervennahrung jetzt in den Regalen gibt ist ebensowenig ein Witz wie die Tatsache, dass am 6. Januar, einem beliebten Feiertag in diesen Breitengraden, bei mir im Kalender neuerdings in dicken Lettern steht: HEILIGE DREI KÖNIG*INNEN. Was in der Deutschland-Gendrale noch so alles ersonnen wird? Kaum ist das mit den Nüssen verdaut, fällt mir ein Evangelischer Gemeindebrief in die Hände, der auf meinem Tisch liegt. Dort steht in einem Beitrag des Pfarrers: „Mit dem Volk Israels habe ich mich durch die Wüste gekämpft und mit den JÜNGER*INNEN saß ich im sturmgebeutelten Boot und staunte, wie Jesus die Wellen besänftigte.“

Ich bin, um ehrlich zu sein, nur noch schwer zu besänftigen. Dieses „Neusprech“ verwirrt mich. Ich seh schon überall Sternchen*. Das ist gut so, mögen die Befürworter gendergerechter Kommunikation einwenden, weil die Sprache die Realität formt. Im Prinzip spricht tatsächlich nichts dagegen, einige alte Zöpfe abzuschneiden. Ich werbe allerdings dafür, nicht gleich mit missionarischem Eifer den Heiligen drei König*Innen eine Glatze zu verpassen. Gott, der gegenderte, möge Nachsicht walten lassen mit uns irrlichternden Sprachjünger*innen. Elvis, bitte übernehmen! Return to sender.

4 Kommentare

  1. Mein Gott, muss denn die deutsche Sprache immer noch mehr verhunzt werden?.Kaum zu glauben welche Ausmaße das Gendern schon angenommen hat. Ich werde diesen Unsinn in dieser
    Ausprägung definitiv nicht mitmachen.

  2. Frau in der Kneipe: was ham sie denn zum durstlöschen?
    Wirt: wie wärs mit einem Radler?
    Frau(runzelt die Stirn): ich hätt aber lieber eine Radlerin!
    Wirt: geht leider nicht, das Zapfhuhn ist kaputt?

  3. Lieber MO,
    ich sehe du setzt dich mit den Sternchen auseinander. Das freut mich ungemein.
    Auch wenn das ein oder andere übers Ziel rausschiesst, so finde ich dass das generische Maskulinum lange ausgedient und unsere Sprache ein Update verdient hat. So werden Frauen und idealerweise auch non-binäre Menschen nicht nur mitgemeint, sondern finden endlich in unserer Sprache Platz. Ob das dann ein Doppelpunkt, ein Sternchen oder ein ganz neues Wort ist, wird sich finden.
    Ich muss dann mal los, zum Lidl, Student*innenfutter kaufen!

  4. Lieber Micha,
    schön, dass Du dich mit diesem Thema auseinander setzt;
    Mich „verwirrt dieses Neusprech“ tatsächlich auch sehr.
    Trotzdem bin ich stets bemüht, mich zeitgemäß auszudrücken und vor allem auch innerhalb spontaner Äußerungen keine Fehler zu machen. Gemeint sind dabei geschäftliche und private Ebenen, schöne und schwierige Momente.

    Um Sonne, Mond und Sterne neben Gott noch ins Spiel zu bringen befinde ich es als interessant, dass unsere französischen und italienischen Nachbarn dabei sprachlich eine andere Genderzuweisung betreiben als wir Deutschen. Wurden denen früher womöglich andere Gottheiten mit anderen Geschlechtern zugewiesen ?
    Recht spannend und bedenkenswert, damit da nicht „einfach“ darüber hinweggegangen wird.
    „Gott“ selbst scheint stets das maskulin geprägte Bild zugewiesen zu sein. Die Erklärung des neuen Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche „es handle sich um eine genderübergreifende Machtansage“ ist ein Erklärungsversuch, der mich nicht nur zum Schmunzeln gebracht hat…

    Ich erlaube mir Dieter Hallervorden zu zitieren (nicht das Zapfhuhn)
    Zitatbeginn..
    Die politische Korrektheit könnte natürlich mit einer Art Empfindsamkeitskult in der Öffentlichkeit beklagt werden. Man weiß ja nicht mehr, welchen Slalom man verbal nehmen soll, um alle Fettnäpchen gekonnt zu umrunden. Das Gendern sei eine unökonomische Vergeudung sprachlicher Ressourcen. Es ist schlechter Stil, Bürokratendeutsch.
    (Zitat Dieter Hallervorden/86Jahre alt/Podcast Kölner Stadt Anzeiger))

    Vorher erhielt ich einen schriftlichen Auftrag, der von eineM
    Stellvertretende/r Leiter/in signiert war, wobei ja …
    Der Leiter // Die Leiter // Die Leiterin 🙂

    Liebe Grüße von Kuno

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