Strategische Inkompetenz

In der Psychologie gibt es einen hübschen Begriff, der in diesen Tagen schwindender Zuversicht wahrlich eine Renaissance erfährt. Die Rede ist von „strategischer Inkompetenz“. Früher hat man das etwas anders umschrieben. Man nannte es, „sich kurz doof stellen“. Durch diesen Trick konnte man sich nicht selten unliebsamer Aufgaben entledigen. Man kennt das von Paaren im Haushalt. Wenn ER die Wäsche zu heiß gewaschen hat, kann es gut sein, dass SIE ihn zum Schutze ihrer geliebten Pullis künftig von dieser Aufgabe im Haushalt entbindet. Ein Mal kurz den Blödmann geben und dann ist Ruhe. Kein lästiges Waschen mehr. So etwas muss man natürlich trainieren. Wenn man früher nicht den Rasen des elterlichen Hauses mähen wollte, so empfahl es sich, „versehentlich“ in das Steinefeld neben dem Grün zu fahren, was dann den hübschen Nebeneffekt hatte, das reichlich Funken flogen. Nebenbei war das Messer des Rasenmähers dann auch kaputt. „Wie kann man so doof sein?“, nörgelte der Vater – und mähte den Rasen fortan lieber selbst. Wie sind wir jetzt gleich ins Plaudern gekommen? Ach ja: Strategische Inkompetenz!

In diesem Land gibt es einen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent und einen ermäßigten Satz von 7 Prozent für Güter des täglichen Bedarfs. Dazu gehört laut dem Gesetzgeber das, was man am Nötigsten braucht – Lebensmittel wie Gemüse, Milch und Fleisch, Bücher, Zeitungen oder beispielsweise Tickets für den öffentlichen Nahverkehr. Prinzipiell eine gute Idee, die Dinge des täglichen Bedarfs steuerlich zu begünstigen. Nur leider ist in Deutschland dabei durch strategische Inkompetenz handelnder Personen so manches durcheinander geraten. So kostet ein Apfel 7 Prozent Mehrwertsteuer, der Apfelsaft aber 19 Prozent. Wasser gibt’s im Supermarkt für einen Steuersatz von 7 Prozent, es sei denn, das Wasser kommt mit Kohlensäure versetzt aus der Flasche. Dieses Wasser kostet dann stolze 19 Prozent obendrauf. Ähnlich verhält es sich bei der Kuhmilch, die mit 7 Prozent besteuert wird, während die pflanzliche Alternative, also die Sojamilch oder die Hafermilch, mit 19 Prozent besteuert werden. Kommt eine Bratwurst vom Tier auf den Tisch, müssen Fleischliebhaber dafür nur 7 Prozent Steuern bezahlen. Gibt es als Ersatz die Wurst aus Soja, so kostet diese 19 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit Restaurants, die Speisen zum Mitnehmen anbieten. Seit dem 1. Januar ist die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants wieder auf 19 Prozent gestiegen. Wer aber Essen to go bestellt, zahlt weiter den geringeren Steuersatz von 7 Prozent. Ist schon alles verrückt in diesem Land, oder? Und manchmal hat man das Gefühl, dass sich irgendwo einer absichtlich dumm stellt. Wie gesagt: sehr weit verbreitetes Phänomen. Genannt „strategische Inkompetenz“.