Das gute alte Quartett-Kartenspiel erlebt eine Renaissance. Früher ging es um Pferdestärken von Autos, heute geht es um Schandtaten von Tyrannen. Geburtsjahr, Alter bei Machtübernahme, Herrschaftsdauer, Todesopfer, Privatvermögen – das sind die Kategorien, die abgefragt werden. Je übler der Tyrann, desto wertvoller die Spielkarte. Kim Jong-Il sticht. Privatvermögen vier Milliarden Dollar. Da muss Alexander Lukaschenko passen und selbst Muammar-al Gaddafi hat nicht den Hauch einer Chance. Im Diktatoren-Quartett, das man im Internet bestellen kann, sind sie alle friedlich vereint. Faschisten, Kommunisten, Eiferer. Nazi-Kollaborateure, Junta-Chefs, Autokraten. Wie sind wir jetzt gleich ins Plaudern gekommen? Ach ja: Wladimir Putin!
Seinetwegen muss die Hierarchie unter den 32 Tyrannen im Diktatoren-Quartett nun leider wohl verändert werden. Was er mit Millionen von Ukrainern macht, ist eine Kategorie für sich. Was er Alexei Anatoljewitsch Nawalny und vielen anderen angetan hat, die für ein besseres und demokratisches Russland eingetreten sind, ist nahezu unbeschreiblich. Vergiftungsanschläge und Folter unter dem Deckmantel einer Justiz, die eher einem Kasperletheater gleicht.
Im August 2023 habe ich an dieser Stelle zum ersten Mal über Alexei Anatoljewitsch Nawalny geschrieben, der jetzt in einem Straflager im Alter von nur 47 Jahren gestorben ist. Er verbüßte zuletzt in der russischen Polarregion eine Haftstrafe, weil er eine andere Meinung vertreten hat als der Diktator Putin. Damals hieß es an dieser Stelle:
„Ich habe mir ein T-Shirt bedrucken lassen, um einen kleinen Beitrag zur politischen Bildung zu leisten. Nawalny steht da drauf. Einige meiner Freunde haben mich gefragt, was das soll. Ich habe ihnen dann ein bisschen erzählt von Alexei Anatoljewitsch Nawalny, der irgendwo im Schwarzwald gemütlich als politisch Verfolgter sein wohlverdientes Asyl genießen könnte, stattdessen aber in einer russischen Strafkolonie zu überleben versucht.“
Nawalny war der der wohl namhafteste Kritiker von Wladimir Putin. Und namhafte Kritiker von Wladimir Putin werden gerne mal vergiftet oder langsam gebrochen. Nawalny kehrte freiwillig in seine Heimat zurück, nachdem er von einem Giftanschlag genesen war. Er wurde damals in Deutschland behandelt und hätte hier gewiss Asyl bekommen. Nun ist er tot, der Patriot. Er hinterlässt zwei Kinder und eine Witwe, die mit anderen fortführen will, was er begonnen hat. Wladimir Putin hat es endgültig ins Diktatorenquartett geschafft. Alexei Anatoljewitsch Nawalny aber ist unsterblich geworden.