Rein ins Rathaus

Das Amt des Rathausregenten ist durchaus ein schweres. Jeder schaut auf die Damen und Herren, wobei die Damen eine klare Minderheit bilden, was sehr schade ist. Nur neun Prozent der Rathäuser wird in Baden-Württemberg von Frauen geführt. Frauen wie Männer stehen in diesen Positionen heftig unter Druck. Jeder macht sich für alles verantwortlich, auch für die Landespolitik oder für Entscheidungen im Bund. Manchmal werden sie belächelt, oft von Ratsdamen und Ratsherren ausgebremst, manchmal sogar von Bürgern bedroht wie in Freiberg am Neckar, wo ein völlig irregeleiteter Zeitgenosse eine Todesliste führt, auf dem unter anderem der Name des Rathausvorstehers steht. Fürwahr kein leichter Job. Wer möchte unter solchen Umständen schon ins Rathaus?

Vielleicht ist die zunehmende Bürde des Amts der Grund dafür, dass Bürgermeister und Oberbürgermeister sich bevorzugt dort bewerben, wo sie nicht nach dem Weg fragen müssen. Jeder vierte Oberbürgermeister in Baden und jeder dritte in Württemberg ist an seiner Wirkungsstätte geboren oder aufgewachsen. Dies vermeldet die Stuttgarter Zeitung. Ein weiteres gutes Drittel stand laut der Meldung jeweils aus der näheren Umgebung. So scheint die Kommunalpolitik offenbar ein Feld zu sein, auf dem sich vor allem Lokalmatadoren tummeln. Ob das immer so gut ist?

Denken wir mal an Kehl an der französischen Grenze. Dort wurde ein Krankenpfleger zum Oberbürgermeister gewählt. Obwohl die Gemeinde ein Steinwurf von Frankreich entfernt liegt, spricht der Mann kein Französisch, was offensichtlich auch kaum einen Wähler gekümmert hat. Man bleibt lieber in der eigenen Blase. Manchmal wären Impulse von außen freilich nicht verkehrt. Dies soll kein Plädoyer dafür sein, das Bewerberinnen und Bewerber nur von außen kommen sollten. Mir ist mal ein junger Mann begegnet, der unbedingt ins Rathaus eines Orts einziehen wollte, der ihm sehr am Herzen lag. Er hatte keine übliche Verwaltungsausbildung und war nie zuvor Rathauschef gewesen. Er konnte die Menschen überzeugen und für sich gewinnen, strengte sich an und weitete sein Horizont. Nach allem, was man hört, ist er ein sehr guter Bürgermeister, der liebt, was er tut, und ein guter Diener der Gemeinde ist. In diesem Job ist alles möglich und auch das Gegenteil von allem. Genau das macht es so spannend, für ein Rathaus zu kandidieren.

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