Kinder an die Macht

Es gibt Songs, die sind schon so alt, dass man sie fast vergessen hätte. In den achtziger Jahren hat Herbert Grönemeyer eine Ode an die kindliche Weltsicht verfasst, die plötzlich im Lichte des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ungeahnte Aktualität bekommt.

„Gebt den Kindern das Kommando/
Sie berechnen nicht, was sie tun/
Die Welt gehört in Kinderhände/
Dem Trübsinn ein Ende.“

Wie sind wir jetzt gleich auf dieses Thema gekommen? Ach ja, der neuerdings recht auffällige Geburtentourismus von Russinnen, die zwecks Niederkunft in Scharen nach Argentinien reisen. Tatsächlich gibt es da recht hohe Zahlen, die den argentinischen Behörden zu denken geben. Dahinter stecken zum einen die strengeren Einreiseregeln für Russinnen und Russen in vielen europäischen Ländern. Zum anderen hat das neue Eldorado der Schwangeren eine günstige Gesetzeslage. In Argentinien geborene Kinder erhalten nämlich automatisch die argentinische Staatsbürgerschaft. Als Eltern eines argentinischen Kindes wiederum können Paare aus Russland recht leicht einen argentinischen Pass beantragen. Und argentinische Staatsbürger wiederum können ohne Visum in mehr als 160 Länder reisen. So kommt es, dass die Einwanderungsbehörde Argentiniens laut der Zeitung „La Nacion“ im Jahr 2022 mehr als 5800 schwangere Russinnen registriert hat, die kurz vor der Geburt in das Land einreisten und dort ihre Kinder zur Welt brachten.

Mir kommt da spontan die Idee, wie es wohl wäre, wenn wir eine Luftbrücke nach Moskau einrichten würden, von allen großen europäischen Flughäfen aus, um einen Geburtentourismus in die andere Richtung anzukurbeln, vorausgesetzt natürlich, Herr Putin würde ähnliche Regeln erlassen, sodass jedes in Moskau geborene Kind automatisch die russische Staatsbürgerschaft hätte. Dies wiederum würde die Chance eröffnen, dass überall im weiten russischen Reich plötzlich potenzielle Jungeuropäer das Licht der Welt erblicken, und perspektivisch den Geist des russischen Imperialismus langfristig unterwandern. Was für eine schöne Idee: der nächste russische Präsident wäre ein aus Frankreich stammender Einwanderer, die Verteidigungsministerin eine aus Spanien importierte Pazifistin und der Außenminister ein Pole mit ukrainischen Großeltern. Kinder an die Macht! Die Welt wäre womöglich ein Stück friedlicher.

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