Liebe Lesende,
das Jahr ist erst wenige Tage alt und mal ganz ehrlich: haben wir nicht schon wieder kräftig rumgemotzt? Wir sind ein Volk von Nörglern geworden. Überall wird gemault, gehetzt, beanstandet. Gelobt wird hingegen eher selten. Stimmt nicht? Leider doch! Nicht einmal jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland wird laut Studien regelmäßig von seinen Vorgesetzten gelobt, und auch sonst ist es mit der Kunst des Lobens nicht allzu weit her in diesen Breitengraden. Schade eigentlich. Denn Anerkennung kann sehr motivierend, manchmal geradezu beflügelnd sein. Für die Psyche soll sie ein wahrer Booster sein.
Wohl dem also, der zu loben vermag und sich nicht nur auf die ungleich leichtere Übung des Herumkrittelns an allem und jedem versteht. Klar, wir leben in einer Gesellschaft, in der einem nichts geschenkt wird. Zu viel Lob, mag so mancher Verweigerer des anerkennenden Wortes denken, verweichlicht den Menschen. Leistung ist schließlich die Norm – und warum also sollte man jemand ein Lob dafür zollen, dass er in der Norm liegt?
Ganz einfach, weil Lob erwiesenermaßen das Hormon Dopamin in uns freisetzt, was uns happy macht. Zudem hat das Lob an sich, zumindest in südlichen Gefilden, auch noch eine durchaus hochprozentige Wirkung, die gerade um die Weihnachtszeit herum nicht zu verachten ist. Wer in Bayern und Teilen von Baden-Württemberg bei seinem Nachbarn klingelt und dessen Baum lobt, ganz unabhängig davon, wie schäbig selbiger aussieht, bekommt einen Schnaps. „Du hast aber einen schönen Baum“ – ein solches Lob führt beim alljährlichen Christbaum-Loben zur kollektiven Stimmungsaufhellung. Bei Einhaltung der Versammlungs- und Abstandsregeln wirkt sich das auch noch desinfizierend in Rachen und Hals aus, und so heißt es am Ende nach dem Rundum-Loben im eigenen Viertel auf dem Nachhauseweg: auf allen Vieren statt voller Viren!
Man sieht also, das Loben ist Balsam für die Seele, sozusagen Schulterklopfen mit Worten. Im Kanton Aargau haben sie jetzt übrigens eine Schulterklopfmaschine in der Gemeinde Mettauertal aufgestellt. Wer sich nach Lob sehnt, kann sich in eine eigens dafür blau angestrichene Antik-Telefonzelle begeben und dort in einen Bildschirm tippen, was Er oder Sie gerade Lobenswertes getan hat. Den Hochzeitstag nicht vergessen, den Tisch abgeräumt, die Parkgebühren bezahlt, der Oma über die Straße geholfen – das gibt’s viele Möglichkeiten. Von der eidgenössischen „Gut-gemacht-Maschine“ erhält der Besucher dann Applaus vom Band – und nebenbei auch einen kleinen Gutschein, der den lokalen Einzelhandel unterstützt. Wer die Telefonzelle wieder verlässt, findet auf dem Boden noch eine Botschaft: „Have a great day“. Wenn das kein Lob verdient!