Treue zum Gegenstand

Das vielgescholtene Europaparlament ist an dieser Stelle zu loben: Nach einem aktuellen Beschluss soll es vorbei sein mit der Wegwerfmentalität in Europa. In Zukunft werden Hersteller und Händler von Neuwaren angehalten, Reparaturen auch nach Ende der üblichen Gewährleistungspflicht von zwei Jahren anzubieten, auf dass die Leute ihre alten Gerätschaften lieber nochmal aufmöbeln lassen, statt sich ihrer zu entledigen, wenn sie ein bisschen in die Jahre gekommen sind. Wie sind wir jetzt ins Plaudern gekommen? Ach ja: Treue! Mit der ist es nicht allzu weit her, wenn man die Zahl der Scheidungen betrachtet, die auf außereheliches Stelldichein zurückgehen. Aber auch bei den Gegenständen des Alltags sind wir schnell mal dabei, uns lieber was Neues zu suchen.

Womit wir in Weinsberg wären, einer Stadt mit knapp 14.000 Einwohnern, in der die Treue angeblich im Besonderen zu Hause ist. Die örtliche Stadthalle nennt sich „Weibertreu“, die hübsch beleuchtete Burg führt im Namen ebenfalls die Tugend der Treue. Das Ganze hat natürlich eine Vorgeschichte. Es begab sich anno 1140, als der Stauferkönig Konrad im Krieg mit dem Bayerischen Herzog Welf lag. Da zog Konrads Heer vor die Burg Weinsberg und belagerte sie. Als Konrad drohte, die Feste einzunehmen und allesamt zu töten, schlich sich in der Nacht vor dem erwarteten Sturm eine junge Weinsbergerin ins feindliche Lager, um den Stauferkönig zu bitten, Gnade walten zu lassen. Weil die junge Frau so hübsch anzusehen war, ließ sich der König gnädig stimmen und gewährte allen Weibern vor der Eroberung die Burg zu verlassen und dabei alle Habseligkeiten mitnehmen zu dürfen, die sie tragen konnten. Am nächsten Morgen staunte Konrad nicht schlecht: Durchs Burgtor den Berg herab kam ein langer Zug von Frauen, und eine jede trug ihren Mann auf dem Rücken. Das nennt man wohl Markentreue. So gesehen ist Weinsberg, die „Weibertreu-Stadt“, der Zeit europaweit ganz weit voraus.