Die Fähigkeit zur Empathie

„Wenn Liebe so einfach wäre“ – das ist der Titel eines Films mit Meryl Streep, der auch mehr als 13 Jahre nachdem er in die Kinos kam noch immer sehenswert ist. Das Wort Liebe hat in diesen Tagen schwindender Zuversicht freilich einen merkwürdigen Klang. Es toben Kriege, es sterben Menschen. Meryl Streep spielte die Hauptrolle in dem Streifen. Sie ist eine großartige Schauspielerin. Wie sind wir jetzt gleich ins Plaudern gekommen? Ach ja: Empathie.  „Die große Gabe des Menschen ist die Fähigkeit zur Empathie“, hat Meryl Streep einmal gesagt. Ein Satz, der fürwahr in die Zeit passt.

Aktuell ist das mit der Empathie so eine Sache. Man hat das Gefühl, dass Empathie plötzlich unteilbar und richtungsgebunden sein muss. Manche sagen in diesem Land, dass man Empathie nur für jene haben dürfe, nicht aber für die anderen. Es ist mir schon leichter gefallen, so etwas zu sagen. Dies zu gestehen, ist bereits ein Teil der Botschaft an dieser Stelle. Es ist schwierig zu diesem Thema die richtigen Worte zu finden. Zugleich war es vielleicht niemals notwendiger, angesichts der Sprachlosigkeit, die der Terror hinterlässt, angemessene Worte zu finden seit am 7. Oktober Terroristen der radikalislamischen Hamas kaltblütig Menschen in Israel getötet und ein ganzes Land traumatisiert haben. „Nie wieder ist Jetzt“, heißt es auf dem angestrahlten Brandenburger Tor. Unsere Empathie und Anteilnahme gilt Israel, sie gilt allen von den Terroristen der Hamas ermordeten und entführten Menschen und ihren Familien. Klar und deutlich hat Bundeskanzler Olaf Scholz in Israel nach den Terroranschlägen der Hamas erklärt: „Das ist ein Besuch bei Freunden in schwierigen Zeiten. Die Sicherheit Israels und seiner Bürger ist Staatsräson.“

Der Begriff der Staatsräson kommt aus dem Lateinischen. „Ratio status“ heißt „Staatsvernunft“. Es ist ein Gebot der Stunde an der Seite Israels zu sein und Antisemitismus in jeglicher Form zu verurteilen. Weniger staatsvernünftig ist es, Empathie allein auf die Menschen in Israel zu begrenzen, wie das manche neuerdings nicht nur tun, sondern mit bebender Stimme zum Maßstab erheben. Empathie gebührt auch den in der Folge der militärischen Reaktion verwundeten und getöteten Zivilisten im Gaza-Streifen. Ich halte dies nicht für einen Widerspruch. Es ist Israels Recht und Israels Staatsräson, das eigene Land vor Terror zu schützen und verblendete Barbaren zur Rechenschaft zu ziehen. Wie das geschieht, darf und kann ebenso kontrovers diskutiert werden wie Grundsätze der Verhältnismäßigkeit. Zivile Opfer zu vermeiden und einen Krieg zu führen mit der Perspektive, ihn irgendwann auch wieder beenden zu können, das ist ein Anliegen, das man formulieren darf. Dies zu sagen ist nicht antisemitisch. Es ist empathisch.

Für die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, schließen sich Mitgefühl mit den israelischen Opfern des terroristischen Anschlags der Hamas und mit palästinensischen Opfern nicht aus. Es sei töricht, die Solidarität mit Israel und die Empathie für die palästinensischen Opfer in ein „Entweder-oder“ zu zwingen. Ein kluges Wort. Empathie ist teilbar, wenn es um das Leben unschuldiger Menschen geht. Empathie braucht keine Richtungsvorgabe – und auch keine Hierarchie.