Nicht aufhören, besser zu werden

Die Autoregion Stuttgart steht vor einem Umbruch. Wenn der Verbrennermotor in absehbarer Zeit ausgedient hat, gilt es, sich ein Stück weit neu zu erfinden im Ballungsraum am Neckar. Dabei kommt es darauf an, nicht unbedingt auf ausgetretenen Pfaden zu gehen, sondern neue Wege zu suchen. „Gehe nicht nur die glatten Straßen. Gehe Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub“. Der Satz stammt von Antoine de Saint Exupéry. Klug gesagt.

Mit dieser Botschaft wollte der Autor vermutlich nicht die Esoterikpeitsche schwingen, sondern vor allem darauf hinweisen, dass Gemeinschaften jedweder Art Menschen brauchen, die voraus denken, und also auch gelegentlich ein Risiko eingehen oder ihre Komfortzone verlassen. Wie sind wir jetzt gleich ins Plaudern gekommen? Ach ja: die gute alte Bequemlichkeit! Nicht von ungefähr sah sich vor einigen Wochen der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger zu einem Weckruf genötigt. Er sagte ausgerechnet dem Land, in dem er aufgewachsen ist, einen schleichenden Wohlstandsverlust voraus. Laut Oettinger befinden wir uns in einem folgenreichen Prozess der Deindustrialisierung. Als Wirtschaftsexperte und langjähriger EU-Kommissar beobachtet Oettinger den Rückzug der Industrie in ganz Deutschland und warnt davor, dass der Südwesten von dieser Entwicklung besonders hart getroffen werden könnte. Dabei scheut sich der Ex-Politiker nicht, deutliche Worte zu benutzen. In Stuttgarts Halbhöhen und am Freiburger Marktplatz balle sich nicht nur der Wohlstand, sondern auch die Selbstzufriedenheit. Ist da vielleicht etwas dran?

In der Tat fällt auf, dass sich immer mehr Menschen der starken 60er-Jahrgänge vorwiegend damit beschäftigen, wie sie über die Rentenschwelle kommen, und weniger damit, was aus dieser Gesellschaft perspektivisch werden kann. Ein schöner Spruch, den man in schwäbischen Gefilden häufig hört, lautet: „mir langts naus!“ Dazu kommt mir ein Evergreen in den Sinn, der vom Politiker und Porzellanfabrikanten Philipp Rosenthal stammt. „Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ Rosenthal war seiner Zeit durchaus voraus, denn er hat seine Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt – lange, bevor das andere taten.

Sind wir eine satte Gesellschaft geworden, in der viele das Risiko scheuen wie der Teufel das Weihwasser? Die Angst vor Fehlern geht um. Viele neue Ideen und Impulse werden heute damit abgetan, dass es zu aufwändig und kompliziert sei, andere Wege zu gehen. Also passiert überhaupt nichts. Wer nichts macht, macht auch keine Fehler. Stimmt das wirklich? Vielleicht sollten wir wieder mehr an Ideen und Visionen glauben, mutiger sein, in dem, was wir tun. Dafür braucht es Zuversicht und mitunter auch ein gesundes Stehvermögen. Damit ist es gesellschaftlich nicht mehr allzu weit her. Der kurzfristige Erfolg schlägt den langen Atem. Das lässt sich beispielsweise an der Bundesliga ablesen, wo ein Trainer, der dreimal nicht gewinnt, schon seine Papiere abholen kann. Dass es auch anders geht, zeigen Vereine, die viele Jahre an ihren Übungsleitern festhalten und auf Konzepte setzen, die nicht von der Stange sind. Man denke an den SC Freiburg. Respekt für diesen Weg.

Wir sichern uns zu sehr gegen alle möglichen Risiken ab, und viele von uns scheuen sich davor, mehr zu wagen und größer zu denken. Frei nach dem Motto: was kann ich denn tun, die Welt gerät doch ohnehin aus den Fugen? Ein solches Klima ist nicht nur Gift für Innovation, sondern auch Gift für die Zukunft. Das größte Risiko im Leben ist, letztlich überhaupt keins einzugehen. Oder wie es der deutsche Journalist Wolfgang Mocker einmal gesagt hat: „Wer im Leben nichts wagt, riskiert viel: niemals etwas zu gewinnen!

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