Pein an der Ladenkasse

Kondomwerbung ist in diesem Land traditionell eher schrill. Man erinnere sich an das Ende der achtziger Jahre. „Tiiiina, watt kosten die Kondome?“ Ein legendärer TV-Spot mit Hella von Sinnen und Ingolf Lück. Letzterer spielte einen jungen Mann an der Ladenkasse eines Supermarkts. Es herrschte geschäftiges Treiben, als er seine Kondome zahlen möchte. Dann plötzlich dieser Schrei durch den ganzen Laden. „Tina, watt kosten die Kondome.“ Der Mann würde am Liebsten in den Boden versinken. Eine hübsche Blondine, ebenfalls in der Schlange, schreit „3.99“. Da kontert eine betagte Dame. „Nein, 2.99. Die sind gerade im Angebot.

„Kondome schützen“, war die Botschaft des Spots, der seinerzeit witzig auf die Risiken von Aids aufmerksam machte und den Schutz durch Kondome pries. Ursprünglich sollte die Supermarktkassiererin Hella übrigens nicht „Tiiina“ sondern „Riiita“ brüllen, in Anspielung auf die damalige Gesundheits- und Familienministerin Rita Süssmuth (CDU), die gegen harte Widerstände in ihrer Partei die Aufklärung in Sachen HIV vorangetrieben hatte. Das ging der CDU dann doch zu weit. Also wurde Riiita im Spot gegen Tiiina ausgetauscht.„Tina, was kosten die Kondome?“ Wie sind wir jetzt gleich ins Plaudern gekommen? Ach ja: peinliche Auftritte an der Ladenkasse!

Neulich war ich in einem großen Supermarkt. Wie das so ist, kauft man dort nicht immer nur, was man wirklich benötigt, sondern streift beim Vorbeigehen auch an Dingen vorbei, die man nicht zwingend haben muss. Mir fiel eine einsam daliegende Schachtel auf, in der sich ein Gürtel befand, den man mit dem Ziel um den Bauch binden kann, die eigenen Bauchmuskeln mittels kleiner Stromschläge zu formen. Ich schnappte mir den letzten Bauchmuskeltrainer und war happy. Schließlich hieß es auf der Packung: „Deine Bauchmuskulatur wird fokussierter und um bis zu 40 Prozent effektiver trainiert. Dank verbesserter Akku-Technik hält der Trainer bis zu 30 Prozent länger mit einer einzigen Ladung.“ So machte ich mich zur Kasse auf, legte meine Einkäufe auf das Band und bemerkte, wie sich eine längere Schlange gebildet hatte. „Kann man nicht eine zweite Kasse aufmachen“, murrte eine Dame. Plötzlich war es mucksmäuschenstill, was die Kassiererin allerdings nicht davon abhielt, meinen Einkauf zu inspizieren, danach zu mir zu schauen, genauer an den Ort, wo der Bauchmuskeltmacher einmal zum Einsatz kommen soll und lauthals zu brüllen: „Sachen gibt’s. Ein Gürtel mit Strom soll Bauchmuskeln machen.“ In der Schlange grinsten die Leute, und ich wollte am liebsten sagen, dass ich auch nichts davon halte und das Ding nur für meinen Sohn mitbringe. Das fiel mir aber leider in dem Moment nicht ein. Ich dachte daran, dass es auch nicht schlimmer sein kann, wenn man Kondome auflegt und die Kassiererin „Tiiina“ durch den ganzen Supermarkt ruft. Hätte ich einen Kondom gehabt, ich hätte ihn mir an jenem Morgen glatt übergezogen – über den hochroten Kopf!