„Milch macht starke Knochen“ – dies ist einer der Sätze aus der Kindheit. Man hat es gerne geglaubt. Trat mir einer beim Kicken gegen das Schienbein, dachte ich: „Macht nix, ich hab ja starke Knochen, weil ich viel Milch trinke.“ Die Werbung leistete ganze Arbeit damals. Heute gibt es allerdings rein wissenschaftlich betrachtet den einen oder anderen Zweifel daran, dass viel Milch tatsächlich starke Knochen macht. Stattdessen deuten einige Daten sogar auf das Gegenteil hin: In Ländern, in denen traditionell wenig Milch getrunken wird, gibt es nämlich weniger Osteoporose-Fälle. Und einige Untersuchungen kommen sogar zu dem Schluss, dass Milch das Risiko für Knochenbrüche nicht senkt, sondern womöglich erhöht. Die Daten dazu sind höchst widersprüchlich. Ich weiß also nicht mit Bestimmtheit, ob es am Ende die Milch war, die mich früher beim körperintensiven Fußballspielen vor Schlimmerem bewahrt hat.
Sicher ist: Seit Jahrtausenden trinkt der Mensch Kuhmilch. Viele vertragen sie nicht gut, weil ihnen das nötige Enzym fehlt, um den Milchzucker Laktose zu verdauen. Die nehmen dann vielleicht Hafermilch. Das mache ich seit einiger Zeit auch. Nicht, weil ich die Kuhmilch nicht vertrage, sondern mir Hafermilch schmeckt und weil sie nebenbei auch noch umweltverträglicher ist, also ein klein wenig dem omnipräsenten Klimawandel entgegen wirkt. Insgesamt verursacht Hafermilch weniger CO2-Emissionen gegenüber traditioneller Kuhmilch, was vor allem in dem klimaschonenden Anbau liegt, zumal es für ihre Produktion keine Tierzucht braucht. Betrachtet man nicht nur den CO2-Fußabdruck, sondern auch Wasserverbrauch, Gewässerbelastung und Landnutzung, kann man schon mal probieren, ob Hafermilch einem vielleicht auch schmeckt. Das Klima rettet man damit nicht. Aber man tut ein bisschen was. So ist es übrigens auch beim E-Auto. Wenn das Ding gut fährt, hat man Spaß und denkt über einen Kauf nach. Nebenbei hat das einen sehr schönen Effekt. Über die Emotion zur Information!
Wie sind wir jetzt gleich so nett ins Plaudern gekommen? Ach ja: die Hafermilch. In Tübingen gibt es einen jungen Gastronomen, der in seinen Cafés viele Cappuccinos zum Mitnehmen an die Frau oder den Mann bringt. Fast 50 Prozent seiner Kundschaft bevorzugt Hafermilch. Doch das Finanzamt macht sozusagen eine Milchmädchenrechnung auf und verlangt nach deutschem Steuerrecht 19 Prozent Mehrwertsteuer für einen Hafermilch-Cappuccino, während es für einen Kuhmilch-Cappuccino nur sieben Prozent sind. Der Gastronom kann das nur bedingt einpreisen und verdient deshalb an einem Kuhmilch-Cappuccino fast 70 Cent, während er an einem Hafermilch-Cappuccino nur 21 Cent gewinnt. Gegen diese Art von politischer Kuhmilch-Lobbyismus will der Tübinger jetzt vor Gericht ziehen, zumal der Gesetzgeber nur unterscheidet zwischen Luxusgütern, zu denen er offenbar Hafermilch zählt und Grundnahrungsmitteln, wozu Kuhmlich gezählt wird. Nicht unterschieden wird, wie der jeweilige ökologische Fußabdruck ausfällt. Schade eigentlich. Am Ende gilt der alte Werbespruch aus den achtziger Jahren: „Die Milch machts.“ Bei einer derart milchigen Steuerpolitik ist fürwahr „Hafer“ und Malz verloren.