Babykatze im Mixer

Es ist noch gar nicht so lange her, da hatten die Leute zu Hause grüne Telefone mit Wählscheiben und einem langen Kabel. Wenn sie sich verabreden wollten, dann wählten sie eine Nummer und sprachen sich kurz ab. Damals hatten die Leute noch Landkarten, auf denen Straßen eingezeichnet waren. So fanden die Menschen ihren Weg. Für den Fall, dass es dunkel wurde, hatten die meisten eine Taschenlampe und wenn sie Bilder machen wollten, gab es eine Kamera. Gezahlt haben sie in aller Regel bar und wenn sie Musik hören wollten, legten sie zu Hause Platten auf. Lange her ist das. Heute hat fast jeder ein Smartphone, das alles bündelt – das Telefonieren, die Taschenlampe, die Kamera, den Kurznachrichtendienst, die Bezahl-App, den Foto und noch vieles mehr. Man könnte sagen, dass das ein Segen ist. Man darf aber auch hinzufügen, dass die Dinger zugleich ein Fluch sind.

Silke Müller weiß davon ein Lied zu singen. Die Pädagogin arbeitet an einer Schule im Landkreis Oldenburg, und hat sich in einem Buch damit befasst, was insbesondere Kinder und Jugendliche mit dem Smartphone so alles wie selbstverständlich tun und konsumieren. Da machen vermeintlich lustige Filme die Runde, in denen lebendige Babykatzen im Mixer landen. Da wird eine 14-Jährige heimlich von ihrem Freund während eines Videocalls bei erotischen Handlungen gefilmt, was dann am nächsten Tag als schlüpfriges Filmchen im Internet landet. Da chattet eine 12-Jährige im Unterricht mit einem Erwachsenen, der perverses Zeug schreibt. Dabei ging in der Klasse intern um einen Wettbewerb unter Mädels, die genau wussten, wo sie solche Typen im Netz finden.

Nach Ansicht der Autorin hat die Medienerziehung unserer Zeit komplett versagt. Es sei höchste Zeit, Kindern und Jugendlichen eine ethische Orientierung zu geben auf dem Weg zur eigenen Medienmündigkeit. Gefragt seien dabei Eltern, Lehrer und die Politik. Die Schulleiterin plädiert tatsächlich dafür, das Rad ein Stück weit zurück zu drehen und Kindern erst mit 16 ein Smartphone zu kaufen, wohl wissend, dass sie damit womöglich in manchen Gruppen zu Außenseitern werden. Wie sind wir jetzt ins Plaudern gekommen? Ach ja: Apps und Spiele und Smartphones. Neulich hat mir eine Bekannte, die in Palo Alto lebt, davon erzählt, dass sie in ihrem Umfeld so manchen kreativen Medienguru hat, der tolle Spiele und viele neue Handy-Spielzeuge erfindet und damit reichlich Geld macht. Was meiner Bekannten aufgefallen war, ist der Umstand, dass die Wegbereiter der Moderne ihren eigenen Kindern meist strikt verbieten, das zu nutzen, was Mama und Papa für die Welt da draußen erschaffen haben. Seltsam, nicht wahr?

Vorige Woche nahm ich Platz im Wartezimmer eines Arztes. Eine Frau mit Kopftuch, die offenbar noch nicht allzu lange in Deutschland lebte und trotzdem gut mit der deutschen Sprache vertraut war, saß neben einem Kinderwagen, in dem ihre Tochter lag. Sie kam ins Gespräch mit einem älteren Herrn und beide erzählten sich ein bisschen von ihrer jeweiligen Welt. Der Mann berichtete, dass er 81 Jahre alt sei und schon mehrere Enkel habe. Die Frau mit dem Kopftuch erzählte beim Blick in den Kinderwagen, sie wolle ihrer Tochter unbedingt Werte beibringen und analog mit ihr reden – und deshalb erst mit 16 ein Handy für die Kleine kaufen. Der alte Mann grinste. „Ich hatte auch lange keins“, sagte er. „Geschadet hat’s mir nicht.“

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